Chiara Schlatter war im Schweizer Paraplegiker-Zentrum in der Reha

Die Reha - eine Achterbahnfahrt

Rückblick: Chiaras Leben verändert sich mit 17 Jahren schlagartig: Bei einen Sturz aus sieben Metern Höhe erleidet sie eine Querschnittlähmung. Wie es zum Unfall kam, lesen Sie hier

Vor einer ungewissen Zukunft

Im Schweizer Paraplegiker-Zentrum erholt sich Chiara langsam von ihren schweren Verletzungen. Gleichzeitig muss sie sich mental auf ihr neues Leben im Rollstuhl einstellen. Was bedeutet es, nie mehr den Boden unter den Füssen zu spüren? Das kühle Gras, den warmen Sand, das weiche Moos. Was bedeutet die Querschnittlähmung für ihren Beruf, die Familie, die Freunde? Chiara ist dankbar, dass sie überlebt hat - dennoch hadert sie mit dem Schicksal und hat Angst vor der ungewissen Zukunft. «Ich dachte, ich werde nie Kinder haben, nie einen tollen Beruf ausüben und nie für einen Mann attraktiv sein,» erzählt sie. 

Chiara beschliesst letztlich, ihre gesamte Energie in die Rehabilitation zu stecken. Nicht selten überschätzt sie sich und fällt mehrfach aus dem Rollstuhl. Doch Chiara bleibt dran, lässt sich von Misserfolgen nicht unterkriegen. Mit ihrem grossen Eifer bringt sie sogar ihre ruhige Pflegerin teilweise auf die Palme.

Ihre Zielstrebigkeit zahlt sich aus: Nach bereits viereinhalb Monaten hat sie sich alle nötigen Fertigkeiten angeeignet und kann das Schweizer Paraplegiker-Zentrum verlassen. Sie hat beispielsweise gelernt, Bodenschwellen mit ihrem Rollstuhl zu überwinden, beherrscht die Transfers vom Bett in den Rollstuhl und hat das Blasen- und Darmmanagement im Griff. Während Paraplegikerinnen und Paraplegiker für ihre Rehabilitation durchschnittlich sechs Monate benötigen, kann Chiara dank ihrem grossen Einsatz bereits 1.5 Monate früher nach Hause. 

«Ich bin dankbar für all das, was ich noch kann. Es geht immer schlimmer.»

Das Leben nach der Reha

Voller Euphorie rollt Chiara in ihr neues Leben. Damals ahnt sie noch nicht, was nach der Rehabilitation auf sie zukommen wird. Im Schweizer Paraplegiker-Zentrum ist alles auf Menschen im Rollstuhl ausgerichtet: Es gibt keine Türschwellen, in den Toiletten hat es genügend Platz, der Bankomat ist abgesenkt, Tische sind mit dem Rollstuhl unterfahrbar, Lifte stehen in ausreichender Anzahl zur Verfügung und wenn alle Stricke reissen, findet sich an jeder Ecke eine helfende Hand. Chiara spricht daher liebevoll vom «wheelchair wonderland» auf dem Campus in Nottwil.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich für Chiara jedoch, als sie nach Hause zurückkehrt und sie mit zahlreichen Hindernissen konfrontiert wird: In gewisse Trams oder Züge kann sie nicht einsteigen, da nicht alle hindernisfrei gebaut sind. Einkaufen ist stets eine Herausforderung, da sie an viele Produkte sitzend gar nicht mehr herankommt. Und immer wieder spürt sie die bohrenden Blicke der Leute, wenn Chiara an ihnen vorbeirollt.

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Der Zusammenbruch

Chiara ist es wichtig, in der Schule den Anschluss nicht zu verpassen. Unmittelbar nach dem Austritt aus dem Schweizer Paraplegiker-Zentrum will die junge Frau deshalb zurück ins Internat. «Ich wollte mir selbst beweisen, dass mich nichts aufhalten kann und mein Leben so ist wie früher», erzählt Chiara. Schnell spürt sie jedoch, dass sie einen Gang zurückschalten muss: Das Anziehen am Morgen nimmt mehr Zeit in Anspruch als früher. Auch das Blasen- und Darmmanagement ist zeitintensiv, da die Entleerung von Blase und Darm bei Menschen mit einer Querschnittlähmung nicht mehr bewusst gesteuert werden kann.

Chiara kommt stets zu spät zum Unterricht, weil sie das Zeitmanagement nicht im Griff hat. Sie kassiert Kritik von Lehrern und Mitschülerinnen. Dennoch hat sie grosse Mühe, sich einzugestehen, dass ihr Leben sich verändert hat. Mit dem Tempo, das sie eingeschlagen hat, kann ihr Körper nicht mithalten. Zwei Jahre nach dem Unfall folgt der Zusammenbruch. Der Körper reagiert: Kopfschmerzen, Gewichtsverlust und Blasenentzündungen sind die Folge von vielen Monaten Dauerstress und Überforderung. «Ich wollte nicht zugeben, dass ich nicht mehr kann», erzählt Chiara mit nachdenklichem Blick. 

Wie Italien und das Bild einer Meerjungfrau Chiara in dieser schwierigen Zeit geholfen haben, erfahren Sie im nächsten Teil der Geschichte. 

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