Markus Buser sitzt im Rollstuhl und trägt einen Bienenschutz. In der Hand hat er eine Wabe.
Markus Buser sitzt im Rollstuhl und trägt einen Bienenschutz. In der Hand hat er eine Wabe.

Die Vision eines Bauern im Rollstuhl

Markus Buser kehrte als Paraplegiker auf den elterlichen Bauernhof zurück. Der 29-Jährige möchte 2032 den Betrieb übernehmen. Mit einem klaren Plan und positivem Denken.

Text: Peter Birrer
Fotos: Sabrina Kohler

Der Weg führt vorbei an Rapsfeldern, die im leuchtenden Gelb zum sonnigen Tag passen. Markus Buser tuckert mit seinem Mäher über ein Landstück und stutzt das Gras. Bahn für Bahn. Er liebt die Natur und die Idylle in dieser Gegend. Nur etwas mehr als 700 Menschen leben im Oberbaselbieter Wenslingen, der Barmenhof der Familie Buser liegt am Dorfrand am Ende einer Sackgasse. Mehr Ruhe geht fast nicht.

Nach erledigter Arbeit fährt Markus Buser zurück, stellt den Mäher routiniert ab und wechselt in seinen Rollstuhl. Der 29-Jährige lächelt zufrieden: «Wenn ich nicht mehr in der Landwirtschaft tätig sein könnte, würde ich versauern.»

Der verhängnisvolle Forsteinsatz

Er sitzt unter einer prächtigen Birke vor dem Haus und erzählt vom 27. Januar. Der gelernte Forstwart und Bauer arbeitet mit zwei Kollegen in einem Wald bei Itingen BL. Kurz nach dem Mittag fällt ein Baum von selbst und begräbt Markus Buser unter sich. Die Rettungsflugwacht Rega birgt ihn mit der Winde aus dem unwegsamen Gelände. Im Universitätsspital Basel zeigt sich, wie schlimm es ihn getroffen hat: Bruch des achten Brustwirbels, schweres Schädelhirntrauma, Fraktur mehrerer Rippen.Die Eltern sind in der Basler Innenstadt unterwegs, als sie über das Unglück informiert werden. Dabei hat sich ein Bild bei Andreas Buser eingebrannt: Als er mit seiner Frau eilends den Laden verlässt, sieht er einen Helikopter im Sinkflug.

«Da liegt sicher unser Sohn drin», schiesst es ihm durch den Kopf. Und er hat recht. Quälende Stunden vergehen, bis die Eltern erfahren, wie es um ihn steht. Nach dem Anruf aus der Klinik bricht der Vater zusammen. Bis heute ringt er um Worte, wenn es um diesen Schicksalsschlag geht. Er zieht sich zurück in den Schopf, wo ihn seine imposante Sammlung von Modelltraktoren auf andere Gedanken bringt. Mutter Cornelia Buser reagiert ebenfalls emotional auf den Anruf. Aber sie schafft es, sich rational mit der schwierigen Situation auseinanderzusetzen.Nach wenigen Tagen im Spitalbett sagt ihr Sohn: «Ich habe es hier gesehen und komme nach Hause.» Doch er muss lernen: So schnell geht das nicht.

«Ich habe keinen Plan B.»

Der Unfall hat aus dem jungen Mann einen Paraplegiker gemacht, dem langsam bewusst wird, dass riesige Herausforderungen auf ihn warten. Erst recht, wenn er seinen Plan durchziehen will. «Für mich gibt es nur ein Ziel: als Landwirt zurück auf den Hof», erklärt er. «Einen Plan B habe ich nicht.» Während seiner siebenmonatigen Rehabilitation spricht er mit Landmaschinenhändlern über die Anpassung von Gerätschaften und mit einem Landwirt im Rollstuhl über dessen Erfahrungen. Die Vorstellung, wie er trotz Einschränkungen die anspruchsvolle berufliche Herausforderung meistern kann, wird so immer konkreter.

Markus Buser sitzt auf einem Traktor und blickt in den Seitenspiegel.

Bestimmte Menschen beeinflussen seine Denkweise. Michael Schaub zum Beispiel. Er verunfallte 2013 und teilt mit Markus Buser während mehreren Wochen das Zimmer. Er spricht ihm Mut zu und zeigt ihm, dass mit einer Querschnittlähmung vieles noch machbar ist. «Es ist nur eine Kopfsache», sagt der 35-jährige Bauingenieur. Michael Schaub zeigt dem Frischverletzten, wie sein Sozialleben funktioniert, wie er sich im Beruf etabliert hat, wie lebenswert das Leben ist: «Ich wollte ein positives Beispiel sein. Als sich unsere Wege wieder trennten, sah ich, dass er enorme Fortschritte gemacht hatte.»

Auch die Fachkräfte in der Therapie beeindrucken Markus Buser mit ihrer Hingabe und Empathie: «Ihre besondere Einstellung löste bei mir etwas aus. Ich sagte mir: Sei froh, dass du überhaupt noch leben darfst. Sieh das, was du noch hast, als Chance. Und mach das Beste daraus.»

Die IV unterstützt seine Vision

Nach seiner Rehabilitation in Basel absolviert der Paraplegiker von November 2022 bis Frühling 2024 eine von der Invalidenversicherung (IV) getragene Integrationsmassnahme bei ParaWork in Nottwil. Die Abteilung des Schweizer Paraplegiker-Zentrums betreut seine berufliche Wiedereingliederung. In der ersten Phase geht es um die Steigerung seiner Belastbarkeit, in der zweiten um die Frage, ob eine berufliche Zukunft auf dem Hof überhaupt realistisch ist und wie er sich diese vorstellt.

Job Coach Pirmin Wolfisberg veranlasst seinen Klienten, die Gedanken im Kopf schriftlich festzuhalten. Mit einem klaren Konzept soll ein Eingliederungsplan erstellt werden, der aufzeigt, wie er unter stark angepassten Bedingungen weiterhin als Landwirt tätig sein kann. In diesem Dossier beschreibt Markus Buser – unterstützt von weiteren Fachpersonen – seine Motivation und Vision.

Er möchte den dreissig Hektaren grossen Betrieb in Richtung Biodiversität steuern und nach der Pensionierung seines Vaters 2032 die Hauptverantwortung übernehmen. Sein Antrieb ist «die Leidenschaft, Gutes zu erhalten, und die Vision, selbstbestimmt Veränderungen anzugehen».

Es ist auch das, was sich seine Eltern wünschen. «Es bedeutet uns viel, wenn Markus unser Lebenswerk weiterführen kann», sagt Andreas Buser. ParaWork bietet seinem Sohn dafür eine massgeschneiderte Begleitung an. Im Herbst 2023 entscheiden schliesslich die Fachpersonen der IV positiv und unterstützen die Vision des angehenden Landwirts.

Drei Generationen unter einem Dach

Markus Buser träumte einmal davon, nach Kanada auszuwandern. 2018 verbrachte er die Sommersaison auf einer Farm in Saskatchewan. Aber die Idee des Auswanderns verwarf er wieder. Er kehrte mit der Überzeugung zurück, dass es nirgends schöner ist als da, wo er aufgewachsen ist. Wenslingen ist sein Rückzugsort, wo er jeden Quadratmeter kennt: «Hier fühle ich mich geborgen und am wohlsten.»

Auf dem Barmenhof leben drei Generationen unter einem Dach. Alle packen mit an und unterstützen sich, wo sie können. Die Infrastruktur ist mittlerweile zu einem grossen Teil barrierefrei. Mit einem Speziallift hievt sich Markus Buser in die Kabine des Traktors. In der Maschinenhalle ermöglicht ein kleines Podest den Transfer vom Rollstuhl in sein Geländefahrzeug. Ein Treppenlift erschliesst den Wohnbereich, wo das Badezimmer auf seine Bedürfnisse angepasst ist. Im Keller stemmt er regelmässig Gewichte oder wirft Pfeile auf eine Dartscheibe.

Markus Buser ist zusammen mit seinen Eltern vor dem Hof. Der Hund liegt vor ihnen auf dem Boden.

Das Bienenhaus ist sein Revier

Und dann gibt es diese kleine Holzhütte: das rollstuhlgängige Bienenhaus, sein Revier. Schon während seiner Zeit bei ParaWork in Nottwil fertigte Markus Buser die Skizzen dazu an, später setzte er sie mit der Familie um. Er kümmert sich sorgfältig und mit Leidenschaft um seine Bienenvölker. Wenn er die Schutzkleider übergestülpt hat, blende er seine Querschnittlähmung komplett aus: «Jeder auf dem Hof hat seine Aufgabe. Und für mich war klar, dass der Rollstuhl mich nicht am Imkern hindern kann.»

«Für mich war klar, dass der Rollstuhl mich nicht am Imkern hindern kann.»

Markus Buser

Markus Buser findet sich immer besser zurecht in seinem Leben mit einer Querschnittlähmung. Ein Landwirt muss viele Arbeiten nach dem Wetter richten. «Und ich passe gezwungenermassen zusätzlich die Arbeit dem Körper an», sagt er. Seine Flexibilität und Spontaneität hätten dadurch abgenommen: «Manchmal stosse ich an Grenzen, die sich selbst mit dem grössten Aufwand nicht überwinden lassen. Aber ich bin dankbar, rundum eine hohe Akzeptanz zu spüren.» Wenn er Hilfe benötigt, hat er ein intaktes Umfeld und kann sich jederzeit an Familienmitglieder, benachbarte Bauern oder seine Freunde wenden.

Seine Ungeduld hat Markus Buser inzwischen abgelegt und verzichtet auf Vergleiche mit früher: «Es macht keinen Sinn, weil ich sowieso den Kürzeren ziehe.» Er ist glücklich, wieder selbstständig unterwegs sein zu können, und lernte seinen Rollstuhl schon früh zu schätzen: «Er war das erste Highlight in der Reha, weil er mir ermöglichte, das Zimmer zu verlassen.»

Naturschutz auf dem Hof

Was die Strategie auf dem Betrieb angeht, schlägt er neue Wege ein. Markus Buser setzt konsequent auf Naturschutz und will damit Pionierarbeit leisten. Die Biodiversitätsfläche soll kontinuierlich ausgebaut werden. Gemeinsam mit der Vogelwarte Sempach hat er das Projekt «Förderung der Artenvielfalt Barmen» lanciert. Oft rückt er mit einem Fernrohr aus, das er am Rollstuhl montieren kann, um Vögel zu beobachten. Zudem arbeitet er mit der Naturschutzorganisation Pro Natura zusammen.

Markus Buser fährt mit seinem Treppenlift zur Eingangstüre seines Hauses.
Markus Buser fotografiert die Natur.

Auf dem elterlichen Betrieb ist Markus Buser wieder als Angestellter beschäftigt. Die Rolle des Troubleshooters, der spontan einspringt, hat der Vater übernommen, der froh ist, dass sein Sohn wieder im Betrieb arbeiten kann. «Markus ist für uns eine wertvolle Stütze», sagt Andreas Buser. Und dieser ergänzt: «Wir sind ein gut funktionierendes Team.»

Der Baselbieter mag den Eindruck erwecken, manchmal ein etwas zurückhaltender Mensch zu sein. Aber er hat eine sehr feinfühlige Seite. Während der Rehabilitation nahm er psychologische Unterstützung in Anspruch: «Ich rechnete damit, dass der Moment kommen würde, in dem ich in ein Tief gerate.» Tatsächlich schaffte er es, die schwierigen Monate ohne eine Krise zu meistern: «Mir ging es mental nie wirklich schlecht», sagt er.

Leidenschaft als Antrieb

Er sei ein kritischer Patient gewesen, der vieles hinterfragt habe. Zum Beispiel, ob es wirklich jedes Medikament brauche. Mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: «Ich war vermutlich eine ziemliche Herausforderung für die Ärztinnen und Ärzte.»

Unter der Birke in Wenslingen greift Markus Buser zu einem Stück Roulade, die seine Mutter gebacken hat. Die Vögel zwitschern. Er blickt auf das angrenzende Feld, auf dem bald ein eingeschossiges, barrierefreies Häuschen entstehen soll – sein zukünftiges Zuhause.

Was hat er aus all dem, was hinter ihm liegt, besonders gelernt? «Es funktioniert sehr vieles, wenn man etwas dafür tut», sagt Markus Buser. «Man ist am besten in dem, was man mit Leidenschaft macht – auch wenn es von aussen manchmal unmöglich erscheint.» Sein Blick schweift über die Felder, und er wirkt zufrieden. Wie die Natur um ihn herum.

Markus Buser spielt mit seinem Vater zusammen Darts.

Jeden zweiten Tag wird ein Mensch in der Schweiz querschnittgelähmt.

Eine Querschnittlähmung führt zu hohen Folgekosten, z.B. für den Umbau der Wohnung oder des Autos. Werden Sie deshalb Mitglied der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung, um im Ernstfall 250 000 Franken zu erhalten.

250 000 Franken im Ernstfall

Jetzt Mitglied werden und vorsorgen

Bereits 2 Millionen Mitglieder vertrauen auf die Schweizer Paraplegiker-Stiftung.

Choose membership

  • Einzelmitglied

    pro Jahr

    CHF45
  • Paare und Familien

    pro Jahr

    CHF90
  • Dauermitglied

    einmalig

    CHF1000

Ihre Transaktion ist sicher

Ihre Mitgliedschaft – Ihre Vorteile – unser Tun

Anmeldung Newsletter

Ich möchte exklusive Einblicke hinter die Kulissen der Schweizer Paraplegiker-Stiftung erhalten.

Werden Sie jetzt Mitglied und erhalten Sie im Ernstfall 250 000 Franken.

Mitglied werden

Spenden Sie jetzt und unterstützen Sie unsere Projekte zugunsten von Querschnittgelähmten.

Spenden