Antoine Barizzi

«Eine Portion Glück gehört immer dazu»

Antoine Barizzi hat den Berufseinstieg geschafft und bezieht schon bald seine erste eigene Wohnung – trotz Tetraplegie. In Nottwil hat der 29-jährige Romand gelernt, was er für ein selbstbestimmtes Leben braucht. Nun ist er bereit für einen weiteren mutigen Schritt.

Text: Andrea Zimmermann
Bilder: Adrian Baer

Antoine Barizzi lebt seit knapp zwei Jahren in der Deutschschweiz. Der 29-jährige Romand hat ein Managementstudium abgeschlossen, engagiert sich in der Politik und treibt in seiner Freizeit gerne Sport. Im Grunde unterscheidet er sich kaum von anderen jungen Männern, die ihre Zukunft noch vor sich haben. Wenn da nicht der 17. September 2009 gewesen wäre. Antoine war 16 Jahre alt, als ein Turnunfall sein Leben für immer veränderte. Inkomplette Tetraplegie heisst die Diagnose, mit der er seither zu leben gelernt hat.

Nach über neun Monaten Rehabilitation im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) ist er nicht mehr in sein Elternhaus zurückgekehrt. Für zehn Jahre lebte er in einem Pflegeheim in Neuchâtel, wo er rund um die Uhr betreut werden konnte, ohne seine Angehörigen zu fest zu belasten. «Es war damals die beste Lösung für mich», erzählt Antoine. Auf diese Weise war es ihm möglich, das Gymnasium und später die Universität zu besuchen.

«Etwas Sinnhaftes zu machen, ist mir wichtig.»

Antoine Barizzi

Arbeiten im Homeoffice

Nach Abschluss seines Studiums begann sich Antoine mit seiner beruflichen Zukunft auseinanderzusetzen. Dabei absolvierte er eine Berufsabklärung bei der ParaWork, einem Dienstleistungsangebot des SPZ, das Klient*innen unterstützt, die eine berufliche Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt anstreben. Das gab ihm schon mal eine Richtung vor: «wollte in die Unternehmensentwicklung einsteigen», sagt Antoine. Und das gelang ihm auch. Nur kurze Zeit später begann er bei einem Westschweizer Start-up, das es ihm ermöglichte, überwiegend im Homeoffice zu arbeiten.

Antoine Barizzi

Antoine Barizzi blickt optimistisch in die Zukunft.

Vom Pflegeheim in eine WG

Die Jugend in einem Pflegeheim zu verbringen, ist nicht einfach. Umso glücklicher war Antoine, als sich 2020 eine vielversprechende Option für ihn ergab: die Eröffnung der ParaWG in Schenkon (LU). In der Nähe von Nottwil entstand eine Wohngemeinschaft für junge Menschen mit Querschnittlähmung, die ihnen den Einstieg in einen eigenen Haushalt erleichtern soll. Endlich hatte Antoine die Möglichkeit, mit Gleichaltrigen zu leben, die seine Erfahrungen teilen und vor denselben Herausforderungen stehen wie er selbst.

«In der Kommunikation eines grossen Unternehmens zu arbeiten, war eine tolle Chance für mich.»

Antoine Barizzi

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Und so kam Antoine in die Zentralschweiz und zog in die ParaWG. Gearbeitet hat er immer noch im Homeoffice. « Das wurde mir mit der Zeit jedoch zu eintönig», erzählt er. Er hatte das Gefühl, etwas Wichtiges zu verpassen. Dass er schliesslich eine Stelle in Nottwil – dem Ort, der ihm aus seiner Reha-Zeit bestens bekannt war – finden würde, damit habe er nicht gerechnet. «Eine Portion Glück gehört immer dazu», lacht er. Die ParaHelp, ein Unternehmen der Schweizer Paraplegiker-Gruppe, suchte nämlich just zu jenem Zeitpunkt einen Verantwortlichen für die Kommunikation.

Antoine Barizzi arbeitet bei ParaHelp.

Antoine Barizzi arbeitet als Verantwortlicher Kommunikation bei ParaHelp.

«Wenn die Wohnsituation geklärt ist und sich der Alltag eingependelt hat, ist auch die Ausübung eines Berufes möglich», so Antoine. «Das ist auch die Philosophie, die hinter ParaHelp steht.» Sich für ein Unternehmen zu engagieren, das Menschen mit Querschnittlähmung unterstützt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen – zuhause, in Wohngemeinschaften oder in externer Pflege – motivierte ihn, diese Herausforderung anzupacken. «Etwas Sinnhaftes zu machen, ist mir wichtig», so Antoine, «und in der Kommunikation eines grossen Unternehmens zu arbeiten, war nach der Start-up-Erfahrung eine tolle Chance für mich.»

«Was man nicht kennt, macht auch ein bisschen Angst.»

Antoine Barizzi

Der Arbeitsmarkt soll inklusiver werden

Antoine ist bewusst, dass nicht alle Menschen in seiner Situation dasselbe Glück haben. «Viele haben es schwer, eine Stelle zu finden», meint er. Warum das so ist? «Was man nicht kennt, macht auch ein bisschen Angst», sagt Antoine auf diese Frage. Dabei brauche es seitens der Arbeitgebenden gar nicht viel, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität einzustellen. In seinem Fall genügten ein barrierefreier Arbeitsplatz und das Verständnis dafür, dass er nicht alles in derselben Geschwindigkeit erledigen kann, wie Fussgänger*innen. «Ich wünsche mir, dass der Arbeitsmarkt inklusiver wird», sagt er.

In den vergangenen zwei Jahren konnte Antoine viel profitieren, auch wenn er seine Familie und seine Freunde während der Pandemie oft vermisst hat. «Für mich hatte es alles in allem mehr Vor- als Nachteile in die Deutschschweiz zu kommen», sagt der 29-Jährige. «Ich habe Deutsch gelernt, viele neue Leute getroffen und gelernt, was es bedeutet, selbstständig zu sein.» Ausgerüstet mit diesen Erfahrungen fühlt er sich nun bereit, wiederum einen neuen Schritt zu wagen: die erste eigene Wohnung.

«Ich freue mich auf alles, was kommt.»

Antoine Barizzi

Im August wird er dafür zurück nach Neuchâtel ziehen, in die Nähe von Familie und Freunden. Ebenfalls wird er eine neue Stelle antreten in der Direktion einer internationalen Schule. Ein mutiger Schritt. «Der Vorteil von Nottwil ist zugleich auch ein Nachteil – hier ist alles auf Menschen wie mich ausgerichtet», so Antoine. «Das wird in Zukunft anders sein.» Nichtsdestotrotz blickt Antoine optimistisch in seine Zukunft. «Ich freue mich auf alles, was kommt.»

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