Chiara und Yanick - Schweizer Paraplegiker-Stiftung

Schmetterlinge im Bauch

Ein schlimmer Unfall veränderte Chiaras Leben auf einen Schlag. Die junge Frau war fortan auf den Rollstuhl angewiesen. An einem Anlass einer Studentenverbindung lernte sie ihren Traummann kennen. Über ein Jahr verging, bis sich ihre Wege erneut kreuzten und die Liebe ihren Lauf nahm. 

Text: Vera Hool
Bilder: Beatrice Felder, Chris Widmer

Folgenschwerer Ausbruch

Samstagabend im April 2016 – Chiara Schlatter ist bereit für den Ausgang. Die 17-jährige lebt in Disentis in einem Internat mit strengen Ausgangsregeln. Das Teenagerleben ohne Ausgang? Niemals! Chiara weiss stets, wie sie die Regeln clever umgehen kann. 

Ihr Bettlaken befestigt Chiara am Fenster von ihrem Zimmer. Sie klettert aus dem Fenster, doch das Bettlaken hält dem Gewicht von Chiara nicht stand und reisst. Die junge Bernerin stürzt 7 Meter in die Tiefe und prallt auf die steinharte Treppe. Schwerverletzt bleibt sie liegen. Ohne ihren Kollegen hätte sie die Nacht nicht überlebt.

Mit schwersten Kopfverletzungen und einer Wirbelsäulenverletzung wird sie ins Spital gebracht. Drei Tage später erwacht Chiara. «Mein erster Gedanke war: Ich lebe!» Sie spürt zwar ihre Beine nicht mehr, aber ihr ist klar, wie knapp sie den Sturz überlebt hat. 

Chiara steckt ihre gesamte Energie in die Rehabilitation. Sie will schnellstmöglich selbstständig sein. Nach viereinhalb Monaten ist es so weit. Chiara darf das Schweizer Paraplegiker-Zentrum verlassen.

«Das Aufwachen war mein schönster Tag im Leben.»

Chiara Schlatter

Zwei Wege kreuzen sich

Chiara hat Mühe, ihren «neuen» Körper zu akzeptieren. «Ich fühlte mich hässlich und konnte mir nicht vorstellen, wie Männer mich noch attraktiv finden», so die sympathische, hübsche Frau. Doch es kommt der Tag, an dem sich alles ändert...

Yanick und Chiara gehören beide einer Studentenverbindung an. An einem Anlass im 2018, kurz vor Ostern kreuzen sich ihre Wege zum ersten Mal. Beide sind zum damaligen Zeitpunkt in einer Beziehung, trotzdem kommen sie ins Gespräch. Chiara's Augen strahlen beim Berichten. «Es hat von Anfang an gepasst zwischen uns. Ich habe vorher noch niemanden kennengelernt, der genau die gleichen Interessen hat wie ich. Er liest dieselben Bücher, schaut die gleichen Filme und interessiert sich für internationale Politik. Das Gespräch war einfach mega!» Kurz darauf verlässt Chiara den Anlass ohne Namen oder Nummer von diesem umwerfenden Mann, der ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. 

 

Chiara und Yannick sind unzertrennlich
Chiara und Yannick in Thun

Der bekannte Fremde

Yanick war auf der Suche für eine Ballbegleitung. Für ihn war sofort klar, diese einzigartige Frau von damals ist die perfekte Begleitung. Doch ohne Namen und Nummer gestaltet sich die Kontaktaufnahme etwas kompliziert. Yanick scheut keinen Aufwand. Schliesslich ging auch ihm diese Unterhaltung seit einem Jahr nicht mehr aus dem Kopf. Der einzige Anhaltspunkt von Chiara ist ein Notizbuch, das sie am Anlass im 2018 liegen gelassen hatte. Darin ist ihr Vorname notiert. Nach einigen Recherchen gelingt es Yanick, den vollständigen Namen und die Nummer in Erfahrung zu bringen. Der Kontaktaufnahme steht fortan nichts mehr im Weg. Doch wird Chiara ihn noch kennen? Wie reagiert sie? Yanick nahm all seinen Mut zusammen und verfasst die Nachricht.

Chiara hat 2019 eine schwierige Phase und kämpft mit gesundheitlichen Problemen. Die Nachricht dieser unbekannten Nummer ändert alles schlagartig. Sie hat keine Ahnung, wer dieser Mann sein soll. «Wer bist du?», fragt sie den Unbekannten. Nach kurzer Erklärung und einer Google-Bilder-Recherche ist ihr klar, wer dieser sympathische junge Mann ist. Voller Liebe erzählt sie: «Wie könnte ich diese 15 Minuten von damals je vergessen?»

 

Darf ich bitten...?

«Ich hatte sofort Schmetterlinge im Bauch, als er mich gefragt hat, ob ich ihn an den Ball begleiten möchte», erzählt Chiara und wirft Yanick einen verliebten Blick zu. Amors Pfeil trifft die junge Bernerin direkt ins Herz. «Yanick kennen gelernt zu haben, war ein wegweisender Moment für mich.»

Bald war es so weit. Ein toller, lustiger Abend nimmt seinen Lauf, auch wenn Yanick sich das Treffen etwas anders vorgestellt hat... 

Chiara hält zwei Flaschen Bier in der Hand, als Yanick sie am Oberkörper etwas wegschubst. Er ist noch unerfahren im Hantieren mit dem Rollstuhl. Dies ändert sich an diesem Abend schlagartig. Durch das Wegschubsen fällt Chiara mit den beiden Getränken aus dem Rollstuhl. Der Inhalt entleert sich über ihr nigelnagelneues Abendkleid. Yanick wird kreidenweiss. Chiara entgeht nicht, wie peinlich ihm die Situation ist. «Alles gut. Das passiert oft. Manchmal verliere ich das Gleichgewicht», flunkert sie und lenkt die Schuld auf sich. Ganz langsam kehrt die Gesichtsfarbe zurück.

Heute lachen beide herzhaft über den etwas holprigen Start ihrer jungen Liebe. 

Chiara Schlatter und Yanick Patt

«Yanick kennen gelernt zu haben, war ein wegweisender Moment für mich.»

Chiara Schlatter

Grenzenlos

Seit mehr als drei Jahren gehen die beiden gemeinsam durchs Leben. Sie sind ein eingespieltes Team und kennen keine Grenzen. Sie erzählt von einem Erlebnis in Wengen: «Wengen ist hügelig und überhaupt nicht für Rollstuhlfahrer*innen geeignet. Yanick improvisierte kurzerhand und packte mich in einen mit Kissen gepolsterten Anhänger, den er am E-Bike befestigte. Kurze Zeit später sind wir losgefahren und erkundeten Wengen.» 

Die beiden sprühen vor Energie und haben grosse Pläne. «Wir träumen von einer eigenen Schule nach Montesori, Heirat und Kinder. Eigene Projekte und Ziele zu haben und diese gemeinsam umzusetzen, lieben wir.»

Von Herzen wünschen wir den beiden alles Gute für die gemeinsame Zukunft. ❤️

Yanick und Chiara blicken in die Zukunft - Schweizer Paraplegiker-Stiftung
Chiara und Yanick gehen gemeinsam in die Zukunft

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