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«So eine Lehre wollte ich immer machen»

Wie schwer ist die berufliche Eingliederung für Querschnittgelähmte? Silvano hat im Sommer 2019 seine Lehre als Mechanikpraktiker erfolgreich abgeschlossen. Der 21-jährige möchte es jedoch nicht bei dieser Lehre belassen. Er wird noch zusätzlich eine auf zwei Jahre verkürzte Zusatzlehre zum Produktionsmechaniker absolvieren. Damit bekommt er die Chance auf einen höherwertigen eidgenössischen Abschluss. Mit seiner Geschichte macht Silvano anderen Jugendlichen im Rollstuhl Mut, ihre eigene Lebensperspektive zu entwerfen. 

 

Text: Stefan Kaiser
Bilder: Walter Eggenberger

Urs Kurmann führt im luzernerischen Ruswil ein Familienunternehmen mit fünfzig Mitarbeitenden und bildet darin acht Lernende aus. Einer von ihnen ist Silvano Buob. Der Paraplegiker gehört zum Team. «Für uns war wichtig, dass Silvano keine Sonderbehandlung bekommt, sondern von Anfang an gleichwertige Arbeiten ausführt wie alle anderen Lehrlinge», erklärt der Patron. Im breit aufgestellten Unternehmen ist der Rollstuhlfahrer überall einsetzbar und erledigt seine Aufgaben hochmotiviert. 

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Berufliche Eingliederung

Dass Silvano diesen speziellen Berufsweg eingeschlagen konnte, ist das Ergebnis einer engen Zusammenarbeit von Invalidenversicherung (IV), Arbeitgeber, kantonalem Berufsbildungsamt, Familie und Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ). Üblicherweise arbeiten Menschen mit Querschnittlähmung im Büro. Für «mechanisch» ausgerichtete Personen haben die staatlichen Kostenträger oft nur betreute Stellen vorgesehen. «In der Behindertenwerkstatt hat es mir aber gar nicht gefallen», beschreibt Silvano Buob seine Schnupperwochen. Er strebte eine mechanische Lehre an, so wie alle seine Kollegen. Die Familie suchte den Rat von ParaWork, einer Abteilung des SPZ. In einem "Perspektivenjahr" konnte der 21-jährige bei ParaWork seine schulischen Themen angehen und wurde auch handwerklich gefördert.

«In der Behindertenwerkstatt hat es mir gar nicht gefallen.»

Gleichzeitig suchten ParaWork und die Familie Buob eine Lehrstelle. In der Kurmann Technik AG haben sie einen erfahrenen Lehrbetrieb gefunden, der mit der Aussicht auf die Kombination von zwei kürzeren Lehren dafür sorgte, dass der Rollstuhlfahrer sich nicht überfordert hat. Weder körperlich noch schulisch. «Wir haben das Pensum bewusst auf achtzig Prozent angesetzt, damit er am Mittag längere Erholungszeiten hat und weiter die Therapien und Förderkurse in Nottwil besuchen konnte", erklärt Urs Kurmann.

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ParaWork-Coaches

Kurz vor Lehrbeginn wurde ausgerechnet noch eine Operation an der oberen Wirbelsäure notwendig, die das ganze Projekt infrage gestellt hat. Der junge Paraplegiker zeigte einen grossen Durchhaltewillen und nahm den Förderunterricht bereits im Spitalbett in Nottwil wieder auf. Bei Zweifeln standen ihm seine Coaches in Nottwil zur Seite. Die Freude über den guten Lehrabschluss war gross. "Für uns sind solche Geschichten Adrenalin. Dafür arbeiten wir", sagt Peter Senn. Der Para Work-Coach hat sich stark für den angehenden Lehrling eingesetzt und seine Zeit im Lehrbetrieb begleitet. Zudem sensibilisierte er Mitarbeitende, Ausbildner und Berufsschullehrer für die spezifischen Bedürfnisse eines Menschen mit Querschnittlähmung. Denn oft scheitern Integrationsversuche daran, dass die Beteiligten zu wenig informiert sind.

«Für uns sind solche Geschichten Adrenalin. Dafür arbeiten wir.»

Im Kreis seiner Arbeitskollegen fühlt sich der Lehrling sichtlich wohl: «Es sind wirklich tolli ChaibeIch werde nicht in die Ecke gestellt, sondern man behandelt mich als ganz normalen ‹Büezer›: Das motiviert!» Damit der Rollstuhlfahrer am sozialen Austausch in der Firma teilhaben kann, finanzierte die IV einen Treppenlift in den Pausenraum. Jetzt fährt er als erster in die Pause und kümmert sich um sein «Ämtli», die Ordnung. Generell sei die Ordnung im Betrieb besser geworden, denn die Mitarbeitenden denken jetzt an ihren Kollegen im Rollstuhl und sorgen dafür, dass er überall durchfahren kann. 

«Es ist wertvoll zu sehen, mit welcher Begeisterung er an die Arbeiten herangeht.»

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Soziale Verantwortung

Weshalb lässt sich ein Unternehmen auf so ein Projekt ein, gerade in Zeiten, in denen der ökonomische Druck steigt? Er habe sich auch deshalb für Silvano Buob entschieden, weil heute viele Firmen ihre soziale Verantwortung nicht mehr wahrnehmen, antwortet Urs Kurmann.«Silvano äusserte einen sehr bestimmten Wunsch nach dieser Lehre – und die Tätigkeiten eines Mechanikpraktikers konnten wir gut in unseren Betrieb integrieren.»

Der Originalartikel «Berufliche Eingliederung» erschien in der 3. Ausgabe 2019 des Magazins «Paraplegie».

In der aktuellen Ausgabe stöbern

ParaForum

Im neu eröffneten Besucherzentrum ParaForum schlüpft Silvano in die Rolle des WG-Bewohners Matteo (17). Das ParaForum ist eine als Wohngemeinschaft inszenierte Dauerausstellung. Sie erzählt die fiktiven Lebensgeschichten und täglichen Herausforderungen von 4 Querschnittgelähmten.

Jeden zweiten Tag wird ein Mensch in der Schweiz querschnittgelähmt. 

Eine Querschnittlähmung führt zu hohen Folgekosten, z.B. für den Umbau der Wohnung oder des Autos. Werden Sie deshalb Mitglied der Gönner-Vereinigung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung um im Ernstfall 250 000 Franken zu erhalten.

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