Shana Brandt

Wie ein Hilfsmittel die Persönlichkeit stärkt

Shana Brandt aus Tentlingen FR wurde mit einer Autismus-Spektrum-Störung geboren. Sie kann sich zwar nicht lautsprachlich mitteilen, aber trotzdem kommunizieren - dank des Accent 800. Das Gerät öffnet ihr Türen und macht sie selbstbewusst.

Weihnachten 2005 sind keine gewöhnlichen Festtage für Kelly Brandt. Am 26. Dezember jenes Jahres bringt sie Shana zur Welt, ihr Glück ist vollkommen.

Die ersten Monate sind unbeschwert, aber das ändert sich, als Kelly Brandt realisiert, dass ihr Kind Auffälligkeiten zeigt. Abklärungen führen zur Diagnose, dass die kleine Shana an einer Autismus-Spektrum-Störung leidet.

Es ist ein Tag im Sommer 2023, als die Mutter von Shana am Stubentisch ihrer Wohnung in Tentlingen sitzt, einem kleinen Dorf im Freiburger Sensebezirk. Sie erzählt von schwierigen Momenten in den vergangenen Jahren, was nicht zuletzt mit sehr begrenzten finanziellen Möglichkeiten zu tun hat - Kelly Brandt ist alleinerziehend, ihren Alltag richtet sie ganz nach ihrer Tochter aus. Seit Ende 2014 arbeitet sie nicht mehr, gesundheitliche Probleme zwangen sie dazu, den Job aufzugeben.

Unterwegs mit einer Unterstützung

Shana ist nicht in der Lage, lautsprachlich zu kommunizieren, sie habe, sagt Kelly Brandt, «ihre eigene Sprache». Wenn sich Shana mit Lauten bemerkbar macht, versteht die Mutter sie zwar meistens, aber sobald der Teenager das Haus verlässt und sich mitteilen möchte, ist sie auf Unterstützung angewiesen. Und diese Unterstützung trägt sie stets bei sich: ein Accent 800 mit reichem Wortschatz.

Mit einzelnen Symbolen kann das wertvolle Hilfsmittel Sätze bilden, die danach vom Talker wiedergegeben werden. Kelly Brandt ruft Shana zu sich und bittet sie um eine kleine Demonstration. Die Tochter beweist, wie versiert sie im Umgang ist und tippt einen Satz: «Ich möchte eine Banane.» 

«Manchmal wird sie angeschaut, als wäre sie eine Ausserirdische»

Kelly Brandt, Mutter

Wenn sie mit ihrem Accent 800 unterwegs ist und ihn benötigt, bekommt sie automatisch Aufmerksamkeit von Leuten, die weder sie noch das Gerät kennen. «Manchmal wird sie angeschaut, als wäre sie eine Ausserirdische», sagt Kelly Brandt, «und sie wiederum ist stolz, dass sie etwas besitzt, was den meisten fremd ist.»

Shana Brandt Kommunikationsgerät
Shana Brandt in der Institution

Ein eindrückliches Gedächtnis

Als Shana vor fast zehn Jahren ihr erstes Gerät erhält, einen Vorgänger des Accent 800, öffnet ihr das Türen, nicht zuletzt in der Stiftung Les Buissonnets in Freiburg, in der Shana zur Schule geht. Sie ist dort keine Aussenseiterin, sondern ein integriertes Mädchen, weil sie nun aktiv am Unterricht und an Diskussionen teilhaben kann. Shana entwickelt sich zu einer jungen Frau mit hoher Empathie, die dank ihrem eindrücklichen Gedächtnis und starker Beobachtungsgabe nicht nur ihren eigenen Stundenplan, sondern auch den ihrer Kolleginnen und Kollegen im Griff hat.

Ausserdem ist sie ein zufriedener Mensch, bei dem kaum einmal Tränen fliessen. Lieber «gigelet» sie, und dafür braucht sie nicht einmal jemanden in ihrer Nähe. Wenn sie daheim in Tentlingen in ihrem Zimmer spielt oder anderswie beschäftigt ist, lacht sie immer wieder unüberhörbar. Und dann weiss ihre Mutter: Shana gehts gut.  «Der Accent 800 beseitigt die Autismus-Spektrum-Störung zwar nicht, aber er erleichtert Shana im Alltag ganz vieles, wenn es um ihre Kommunikation geht», sagt Yvan Magnin, der als Berater der Active Communication AG für Shana zuständig ist. Seine Klientin tut sich überhaupt nicht schwer mit der Technik, er sagt: «Neuem gegenüber ist sie äusserst aufgeschlossen. Shana lernt extrem schnell.»

Das Vokabular lässt sich aufstocken

Rund 8000 Wörter bilden die Basis des Vokabulars, das je nach persönlichen Vorlieben aufgestockt werden kann. Zum Beispiel kann man Namen von Menschen aus dem nahen Umfeld hinzufügen, von Familienmitgliedern und Freundinnen oder Freunden, mit denen man immer wieder zu tun hat. 

Shana Brandt ist dank dem Kommunikationsmittel offener und zugänglicher geworden, sie hat gewisse Hemmungen abgelegt und an Selbstbewusstsein gewonnen. «Der Accent 800 gibt ihr ein gewisses Vertrauen und auch Sicherheit, er stärkt ihre Persönlichkeit», sagt Yvan Magin. Seit März 2023 kann sie mit ihrem Hilfsmittel auch telefonieren. Mittels Bluetooth kann sie eine Verbindung herstellen und mit dem Accent 800 ihre Bedürfnisse formulieren.

Das ist ein markanter Fortschritt, weil Shana in einem allfälligen Notfall agieren und intervenieren kann, wenn etwa daheim in Tentlingen irgendetwas nicht in Ordnung ist - dann könnte sie sich mit ihrer Grossmutter, die in der Nachbarschaft wohnt, in Verbindung setzen. Das Telefonieren ist mit ihr wiederholt geübt worden.

Shana mit ihrem AC-Berater und ihrer Mutter
Shana Brandt und Yvan Magnin

«Ein spezieller, liebenswerter Mensch»

Manchmal will Shana Sätze, die sie in den Accent 800 tippt, abkürzen. Dann schreitet Kelly Brandt ein und macht ihr klar, dass sie ihre Mitteilungen sauber formulieren soll. Die Reaktion von Shana? Der Daumen geht hoch, heisst: Ich habe es verstanden. 

Manchmal merkt die Mutter, wie ihre Tochter so gerne ohne Hilfsmittel an einem Gespräch teilnehmen würde. In solchen Momenten erklärt sie Shana, wieso das nicht funktioniert. Und es gibt auch Situationen, in denen Shana ganz stolz auf ihren Accent 800 ist, weil sie damit Leuten aus ihrem Umfeld verblüffen kann. «Shana ist ein sehr spezieller, überaus liebenswerter Mensch», sagt Kelly Brandt, «sie ist auch gerne Botschafterin von Active Communication, weil sie eines besonders gerne macht: anderen helfen.»

Text: Peter Birrer

Fotos: Jonas Pfister

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