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Unterstützte Kommunikation begleitet Myriam schon ihr ganzes Leben

Myriam Schoen wurde 1971 geboren. Mit fünfeinhalb Monaten erlitt sie eine Hirnhautentzündung – seither ist sie Tetraplegikerin.

Angefangen hatte alles mit sehr hohem Fieber, welches auf eine Hirnhautentzündung zurückzuführen war. Eine Hirnhautentzündung kann tödlich enden – bei Myriam endete sie mit Tetraplegie. Dies zeigt sich bei ihr mit der Lähmung ihrer rechten Seite, den Problemen beim Schlucken und dem Verlust der Lautsprache.

Den Kindergarten und die Schule hat Myriam in Freiburg besucht. Nach der Schulzeit hat sie in der SSB gewohnt und dort auch teilzeit gearbeitet. Sie SSB ist eine Institution für Menschen mit Behinderung. Heute wohnt sie zusammen mit ihrem Partner Mario in Schmitten im Kanton Freiburg. Die beiden leben neben der Aussenwohngruppe in einer eigenständigen Wohnung. Es war schon immer ein grosser Wunsch von ihr, mit ihrem Partner zusammenzuwohnen. Bis dahin war es ein langer Weg - und das Leben zu zweit ist nicht immer ganz einfach, aber die beiden sind glücklich.

Von Bliss zum Delta-Talker

Begonnen hat Myriam’s UK-Geschichte mit Bliss, einem der ersten Systeme für Unterstützte Kommunikation. Es ist mit einfachen Symbolen und Schrift aufgebaut. Gelernt hat sie das System in der Schule als sie 9 Jahre alt war. Bis dahin hatte sie eine Kommunikationstafel benutzt. Diese war jedoch nicht praktisch, der Wortschatz war beschränkt und einige Wörter mussten gebastelt werden.

Mit 14 Jahren folgte das erste elektronische Kommunikationsgerät – der Hector. Er war wie eine sprechende Schreibmaschine und hatte eine Sprachausgabe. Die Stimme war jedoch schlecht verständlich. Hector hatte die Grösse eines Koffers und Myriam konnte ihn nur mithilfe von Rädern transportieren.

Das nächste Kommunikationshilfsmittel war der Delta-Talker. Er funktionierte mit Kodierungen. Die Bezugsperson hatte Wörter darauf gesprochen und abgespeichert. Mit dem Gerät konnte man auch telefonieren. Das machte Myriam grossen Spass und war für sie wichtig, um mit ihrem Umfeld in Kontakt zu bleiben.

Talker Myriam Schoen
Myriam Schoen mit Talker

Das erste Schätzeli – der Smalltalker

Den Smalltalker hat Myriam seit 2009. Er ist ihr „Schätzeli“ und sie ist froh, dass sie ihn bis heute hat. Das Gerät kann sie mit dem Computer verbinden und so Briefe und E-Mails schreiben. Aufgrund seiner Grösse kann der Talker gut überallhin mitgenommen werden. Ausserdem kann sie selbstgemachte Fotos als Piktogramme verwenden, was besonders praktisch für Personen ist. Durch seine deutliche Aussprache kann ihr Umfeld sie gut verstehen – auch die Mehrsprachigkeit ist ein grosser Vorteil. Das ist praktisch, denn in Freiburg stellt sie ihn auf Französisch um. Der Talker kann sogar ein bisschen Englisch, jedoch funktioniert die Aussprache nicht immer ganz korrekt. Durch den Talker hat Myriam schon viele neue Wörter gelernt, die sie vorher nie gehört hat. Rund 2‘800 Wörter sind darauf abgespeichert.

Im letzten Sommer hat Myriam ein iPad erhalten. Dafür musste sie zwar wieder einiges neu lernen, aber das nahm sie gerne in Kauf. Die neuen Funktionen wie Tagebuch schreiben oder Hörbücher hören gefallen ihr besonders gut. Um zu Sprechen benutzt sie die Minspeak-Symbole und eine App. Da sie nun alles über das iPad machen kann, braucht sie keinen Computer mehr. Sie ist sehr froh über die neuen Möglichkeiten der Kommunikation und ist gespannt, was da noch so kommt.

Unterwegs als UK-Referentin

Die Möglichkeit, Referate vor Publikum zu halten ist für Myriam sehr wichtig und sie macht das unglaublich gern. Ihr Beistand, Christian Spescha, ist dabei eine grosse Hilfe. Die beiden kennen sich seit 25 Jahren. Er war ihre Bezugsperson im Heim und wohnt heute keine 50m von ihr entfernt. Seit 2014 hilft er ihr bei den Referaten.

Um UK-Referentin zu werden, hat sie einen Kurs besucht mit einigen Kollegen, die auch mit dem Talker sprechen. Sie treffen sich jedes Jahr, besprechen ihre Aufträge und tauschen sich aus. Oft werden auch mehrere von ihnen für ein Referat angefragt. Der Austausch untereinander ist enorm wichtig.

«Das Leben mit einer Behinderung finde ich manchmal furchtbar.»

Myriam ist eine lebensfrohe und aufgestellte Frau. Trotzdem findet sie ihr Leben manchmal furchtbar. Sie mag es nicht, wie sie teilweise von Menschen behandelt wird. Leute sind gemein oder frech zu ihr, lachen sie aus oder denken, sie sei schwach. Oft wird ihr nichts zugetraut. Am schlimmsten findet sie, wie ein Kind behandelt zu werden.

«Ich muss oft über meine Missgeschicke lachen»

Humor ist Myriam sehr wichtig. Sie muss oft über ihre Missgeschicke lachen, das hilft ihr sehr. Dadurch dass sie nicht sprechen kann, glaubt sie, die Menschen besser zu spüren. Ihre Mimik und Gestik sind sehr gut verständlich. Das hilft ihr, mit Menschen ins Gespräch zu kommen.

Die wahre Berufung: Künstlerin

Seit ihrer Kindheit träumt Myriam davon, Künstlerin zu werden. Ihr Grossvater hat immer gesagt, dass der Tag kommen wird, an dem sie Künstlerin sein wird. Und er sollte recht behalten. Heute ist Myriam im Creahm als Künstlerin tätig, drei Tage die Woche arbeitet sie dort. Das Creahm ist ein Kunstatelier für Menschen mit Behinderung. Ihr Beruf macht ihr viel Spass. Myriam ist es wichtig, Anerkennung für die Kunst zu erhalten. Es macht sie wütend, wenn Menschen die Kunst von beeinträchtigten Personen abwerten.

Wünsche für die Zukunft

Seit sie ein Kind war, ist sehr viel möglich geworden. Mit Menschen sprechen ist einfacher geworden. Aber die Geräte wurden auch komplizierter. Myriam wünscht sich stabile Geräte mit langer Akkulaufzeit. Für sie ist es am wichtigsten, dass man die Stimme gut versteht und dass das Gerät einfach zu bedienen ist. Es soll Lust machen, damit zu üben und zu lernen. Wenn man lernt, mit dem Talker zu sprechen, ist Geduld eine Voraussetzung, denn es ist vergleichbar mit dem Erlernen einer Fremdsprache.

Bezugs- und Lehrpersonen sollen wissen, was ein Talker ist und auch seine Grundfunktionen kennen. Darum ist es auch wichtig, dass UK-Referenten Referate halten können und so mehr Menschen den Talker kennenlernen. Ein Talker gibt Menschen, die nicht sprechen können, eine Stimme. Der Talker ist ihre Sprache. Damit haben sie die Möglichkeit, mit anderen in Kontakt zu treten, sich auszutauschen und selbständig unterwegs zu sein. Ganz wichtig findet Myriam auch, dass sie mit dem Talker fluchen und Dampf ablassen kann. 😉

 

Text: Stefanie Eicher
Bilder: Jonas Pfister

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