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«Ich würde für nichts mein heutiges Leben gegen das frühere tauschen.»

Alles beginnt an jenem schicksalhaften Sonntagabend, dem 22. April 2012. «Ich war zu Besuch bei meinen Eltern und nahm das Motorrad, um Brot fürs Fondue zu kaufen», erzählt Louka Réal. «In einer Kurve blieb der Gasgriff in der vollen Beschleunigung eingeklemmt. Ich stürzte mit hoher Geschwindigkeit zu Boden und landete an der Wand eines Grabsteinbildhauers.» Er lacht. «Ausgerechnet Grabsteine.» Es wäre in der Tat ein Symbol gewesen.

Text: Guillaume Roud
Bilder: Sébastien Agnetti

Das Aufwachen in Nottwil

Der junge Lausanner kommt dem Tod sehr nahe. Er liegt im Spital mit diversen Frakturen und schweren inneren Blutungen, die sich nicht stoppen lassen, als die Ärzte bereits seine engsten Angehörigen benachrichtigen, damit sie sich von ihm verabschieden können. Doch im letzten Moment stabilisiert sich sein Zustand wie durch ein Wunder. Nach einem Monat im künstlichen Koma wird der Sportler per Helikopter ans Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) in Nottwil verlegt. Er ist Schweizer Meister im Trialbike – einer akrobatischen Disziplin auf dem Velo, bei der Tricks und Stunts über Stock und Stein gezeigt werden. Als er auf der Intensivstation aufwacht, realisiert er, dass er querschnittsgelähmt ist. «Zuerst war ich schockiert und stellte mir tausend Fragen. Als ich dann erkannte, dass mein Schicksal besiegelt war, richtete sich mein Augenmerk nicht mehr auf das Gehenkönnen, sondern ich wollte so schnell wie möglich autonom werden. » 

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Die Beziehung zu einem seiner Mitpatienten im Krankenzimmer ist für ihn von unschätzbarem Wert. Er trifft auf Franco Belletti, einen ehemaligen erfolgreichen Teilnehmer an den paralympischen Spielen, der gerade an der Schulter operiert worden ist. Der inzwischen rund 50-Jährige hatte im gleichen Alter wie Louka einen sehr ähnlichen Motorradunfall – und nimmt den jungen Mann unter seine Fittiche. «Bei Franco habe ich gesehen, dass man auch im Rollstuhl glücklich sein kann und dass alles möglich ist. Das gab mir einen unglaublichen Motivationsschub. »

«Ich stand eines Morgens auf und habe entschieden, dass es keinen Sinn macht, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.»

«Es machte Klick ...»

Nach der Rückkehr in die Westschweiz ist der Paraplegiker oft mit Menschen konfrontiert, die ihn entweder mit Geringschätzung anschauen oder voller Mitleid. Beide Haltungen empfindet er als schmerzhaft. Ihn irritiert die Ungeschicktheit, mit der Passanten einfach seinen Rollstuhl anfassen und ihm helfen wollen – ungebeten und ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Auch die emotionalen Bindungen bleiben davon nicht verschont, Liebesbeziehungen werden schwieriger, sagt der junge Mann: «Die meisten Mädchen, die ich traf, stellten meine Behinderung in den Vordergrund und haben mich ‹trotz des Handicaps› in Betracht gezogen. Sie akzeptierten mich nicht einfach so, wie ich bin. » Das erste Jahr nach der Entlassung aus Nottwil war eine schwere Zeit. Dann änderte Louka Réal seine Lebenseinstellung: «Es machte Klick. Ich stand eines Morgens auf und habe entschieden, dass es keinen Sinn macht, die Vergangenheit wieder aufleben zu lassen. Sondern dass es an der Zeit ist, nach vorne zu schauen und dafür alles zu geben. » 

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Diese Haltung wird zu einem ausgeprägten Charakterzug. Der junge Mann, der vor seinem Unfall Landschaftsgärtner war, orientiert sich beruflich neu und beginnt eine Lehre als Industriedesigner. Gleichzeitig arbeitet er in der Firma seines Bruders mit an der Entwicklung von hochpräzisen Teilen für E-Zigaretten. Er macht Fitnesstraining, um sich besser zu fühlen, und er lässt sich ein Tattoo stechen. Es sind alles Aktivitäten, um sich den Körper wieder anzueignen. Louka Réal findet eine neue Wohnung und gönnt sich ruhige Momente zum Zeichnen – eines seiner Lieblingshobbys. Immer öfter geht er aus dem Haus, um seine Freunde in der Stadt zu treffen. Einen grossen Schub an Autonomie verleiht ihm das von Orthotec umgebaute Auto, das er dank der Unterstützung der Schweizer Paraplegiker-Stiftung erwerben kann. «Das hat meine Situation schlagartig verändert», sagt er. «Es war, als würden mir Flügel wachsen. Endlich konnte ich frei dorthin gehen, wohin ich wollte. Für mein Wohlbefinden war das enorm wichtig. » All dies plus die aufkeimende Leidenschaft für Basketball erlaubte es dem Westschweizer, sein Leben mit neuen Augen zu betrachten.

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Der Aufstieg zum Champion

Während seiner Rehabilitation in Nottwil entdeckte Louka Réal das Rollstuhlbasketball. Er verfolgt die Trainings der Nationalmannschaft und ist fasziniert vom Zusammenhalt und der grossen Geschicklichkeit der Spieler. «Ich bewunderte die Athleten, war aber gleichzeitig schüchtern. Damals wagte ich nicht, sie anzusprechen. Und doch verspürte ich den brennenden Wunsch, mit ihnen auf dem Feld zu sein. » Er hätte nie zu träumen gewagt, dass er einmal als Basketballer Medaillen gewinnen würde. Aber Louka Réal setzt sich ein Ziel: Innerhalb von fünf Jahren will er Mitglied der Nationalmannschaft sein. Viele Stunden pro Woche trainiert er alleine, dann schliesst er sich einem Verein an. Zuerst in Pully (VD), später tritt er den Meyrin Eagles (GE) bei. Seine rasanten Fortschritte fallen in der Szene auf: In der folgenden Saison spielt er bereits für die Pilatus Dragons in Nottwil, dem besten Team der Schweiz. Und im Jahr 2015 folgt dann der Ritterschlag: Der talentierte Nachwuchsspieler wird für die Nationalmannschaft nominiert. In nur zwei Jahren ist sein Traum Wirklichkeit geworden.

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Er weiss, was er macht

«Es hört sich vielleicht unglaubwürdig an, aber erst durch meine Behinderung habe ich mein Selbstvertrauen gefunden und eine eigene Persönlichkeit entwickelt. Durch den Unfall rückte ich viel näher mit meiner Familie zusammen. Ich habe im Team Schwan Wahab kennen gelernt, der mein bester Freund wurde. Ich würde für nichts auf der Welt mein heutiges Leben gegen das frühere tauschen.» Und der Traum von der Profikarriere im Ausland? «Warum nicht?», antwortet der Rollstuhl-Basketballer, er möchte es sicher eine Saison lang versuchen. Aber nicht sofort. «Zuerst will ich noch meine Ausbildung abschliessen. Der Weg ins Ausland bedeutet eine Distanz zu meiner Familie, die mich von Anfang an ermutigt hat, meine Träume zu verfolgen.» Der nächste Schritt will gut überlegt sein. Und dann wird er ihn mit voller Energie umsetzen.

 

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