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Erste Versuche im Rollstuhl

Rückblick: Ein Pfleger rüttelt Peti auf: «Es wird besser!» Dieses Versprechen dringt zu Peti durch und bringt den Wendepunkt. Er rafft sich auf, beginnt zu kämpfen. Doch die Hürden sind hoch. Wie es weiter geht, lesen Sie hier

Rollstuhlfahren erfordert hartes Training

Reinsitzen, anstossen und los geht's!  Für Aussenstehende sieht es so einfach aus: Rollstuhlfahrende rollen daher, steuern ihr Gefährt mühelos von A nach B. In der Realität läuft dies ganz und gar nicht so. Wer einen Rollstuhl beherrschen will, muss das zu Beginn erst mühsam erlernen. 

Gerade Tetraplegiker wie Peti müssen zuerst die nötige Kraft aufbauen und sich die richtige Sitzposition antrainieren. Da ihre Rumpfmuskulatur zunächst geschwächt ist, können sie ihren Oberkörper nicht aufrecht halten – sie kippen nach vorne. 

Zu Beginn trainiert Peti mit einem elektrisch angetriebenen Rollstuhl. Noch fehlt ihm die Kraft, um sich in einem normalen Alltagsrollstuhl fortzubewegen. Der Elektrorollstuhl wird indes nie zu Petis Freund. Es gelingt ihm nicht, diesen so zu steuern, wie er will. Peti rollt damit in Wände, rammt Stühle, ruckelt über fremde Füsse, die ihm im Weg stehen. «So kanns nicht weiter gehen!»: Peti fackelt nicht lange und setzt sich ein neues Ziel: Er will schnellstmöglich einen manuellen Rollstuhl in den Griff bekommen.

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Selbst kleine Rillen im Boden werden zum grossen Hindernis

Selbst nach monatelangem Training klappt noch nicht alles so, wie Peti will. Aber er ist ein «Chrampfer». Das hilft ihm beim Training: «Wenn der Weg von A nach B nicht geht, machst du halt den Umweg über C.»: Dieses Motto treibt ihn voran. 

Üben, üben, üben ist angesagt. Gegenüber von Petis Zimmer ist ein Lift, der ihn zur Physiotherapie bringt. Um vom Bett zum Lift zu gelangen, gilt es vier bis fünf Meter zu meistern – ein Katzensprung? Nicht für Peti: Es kostet ihn eine Viertelstunde, bis er jeweils den Lift erreicht. Selbst die kleinsten Rillen, die er mit seinem Rollstuhl überwinden muss, sind ein Hindernis für den 25-jährigen. Genau so eine erwartet ihn kurz vor seinem Ziel, direkt beim Lifteingang. Solch kleine Rillen und Absätze zu überwinden, sind eine der grössten Herausforderungen im Rollstuhltraining: Es gilt dabei, die Vorderräder des Rollstuhls leicht anzuheben. Für Menschen, die zu Fuss gehen, geht das wie von alleine - für Menschen im Rollstuhl ist das ein Akt, den sie lange einüben müssen. 

Peti trainiert drei Monate lang. Dann hat er seinen manuellen Rollstuhl einigermassen im Griff. Endlich hat er sich ein Stück Freiheit zurück erobert. Seither rollts immer besser. «Mit jedem Antrieb, den ich dem Rad des Rollstuhls erteile, trainiere ich meine Muskeln und werde stärker», sagt Peti. Dank speziellen Handschuhen rutschen seine Hände am Rad nicht ab. So kann er die Räder besser antreiben. Die Handschuhe schützen seine Hände auch vor Abschürfungen, die beim Bremsen entstehen können. 

Peti ist nun gut gerüstet und zügig unterwegs. Selbst bei steileren Erhöhungen lehnt er Hilfe ab. «Da kann ich jeweils gleich etwas trainieren», sagt er jeweils schmunzelnd. Er gibt erst nach, wenn ihn eine Begleitung beinahe anflehen muss: «Peti, bitte lass mich dir helfen! Es starren mich schon alle doof an, weil ich dich nicht unterstütze», sagen seine Freunde oder Begleiterinnen zuweilen.

«Wenn der Weg von A nach B nicht geht, machst du den Umweg über C.»

Petis Zimmergenosse hilft ihm aus der Patsche

Wie gelangt Peti überhaupt alleine in seinen Rollstuhl? Auch diesen Ablauf muss sich Peti erkämpfen: Will er vom Bett aus zum Rollstuhl gelangen, muss er einen sogenannten Transfer schaffen. Das will er möglichst schnell selbständig bewältigen. Er übt den Transfer nicht nur in seinem Zimmer, sondern auch in der Physiotherapie. Zu Beginn bleibt er dabei öfter mal zwischen Bett und Rollstuhl hängen. Ohne fremde Hilfe geht dann nichts mehr. Immer wieder hilft ihm sein Zimmergenosse aus der Patsche. Dafür transferiert sich dieser flugs in seinen Rollstuhl und düst los, um eine Pflegeperson als Hilfe herbeizurufen. Später kann Peti über solche Aktionen schmunzeln: «Ich wäre sonst wohl noch stundenlang festgesteckt.»

Peti Roos im Rosengarten
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Eine Oase der Ruhe im durchgetakteten Programm

Der Alltag in der Rehabilitation im Schweizer Paraplegiker-Zentrum ist stark durchstrukturiert. In diesem vollgepackten Tagesprogramm bleibt kaum Zeit zum Durchatmen. Der straffe Zeitplan wird aber bewusst so gewählt. Dadurch bleibt den Patientinnen und Patienten kaum Zeit, um darüber nachzusinnen, was früher einmal war. Sie sollen spüren: Es geht um das «Hier und Jetzt». Es gilt, nach vorne zu schauen und das neue Leben anzupacken.

So sieht für sie ein typischer Tagesplan aus:

07:30 - 10:00: Morgenpflege
10:00 - 11:00: Physiotherapie 
11:00 - 11:30: weitere Therapie zum Beispiel physikalische Therapie
Mittagspause
13:00 - 14:00: Bettruhe. Diese ist nicht zuletzt nötig, um das Gesäss zu entlasten
14:00 - 15:00: Physiotherapie
15:00 - 16:00: Ergotherapie oder Berufsabklärung in der ParaWork

Peti rollt in seinen Pausen gerne zum Rosengarten des Paraplegiker-Zentrums: Hier atmet er tief durch. Die frische Luft mit einem intensiven Duft von blühenden Rosen tut ihm gut. In dieser Oase kehrt er in sich und tankt neue Energie.

In der nächsten Folge lesen Sie, was Freunde, Jassen und Fussball bewirken.

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