Erste Hilfe nach Algorithmen
Was tun im Notfall?
Wenn Sie Zeuge eines Kreislaufstillstands oder einer anderen akuten Notfallsituation sind: alarmieren Sie sofort den Rettungsdienst über die Notrufnummer 144 und beginnen Sie mit der Herzmassage, bzw. leisten Sie Erste Hilfe. Halten Sie sich nicht damit auf, die folgenden Informationen zu lesen. Diese sind als Kursmaterial konzipiert und nicht zur Anwendung im Akutereignis gedacht.
Medizinischer Haftungsausschluss
Die folgenden Ausführungen werden in Abstimmung mit (inter)nationalen Leitlinien, sowie bei Bedarf aktualisiert und nach bestem Wissen überarbeitet. Sie ersetzen in keiner Art und Weise eine spezifische Ausbildung. Ihre Anwendung erfordert Sachkenntnis, Erfahrung und situative Flexibilität. Das beschriebene Handeln setzt explizit die Beherrschung der Massnahmen durch Anwendende voraus und darf nicht zu einem Ersatz oder Verzögerung der Alarmierung des Rettungsdienstes führen. In Zweifelsfällen konsultieren Sie Ärztin, Arzt oder Rettungsdienst.
An zwei Stellen werden in Übereinstimmung mit internationalen Empfehlungen Medikamente aufgeführt (Aspirin bei nicht traumatischem Brustschmerz und Adrenalin Autoinjektor bei schwerer allergischer Reaktion). Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Gesetzgeber in der Schweiz die entsprechende Medikamentenabgabe nur für medizinisches Fachpersonal legitimiert, weshalb der Einsatz, bzw. der Delegationsrahmen im Vorfeld und für die spezifischen Bedingungen von Anwendenden und institutionellem Rahmen zu klären ist. SIRMED vergibt diesbezüglich keine Kompetenzen für Ersthelfende.
Achtung: Trotz aller Sorgfalt bei der redaktionellen Ausarbeitung können Fehler nie gänzlich ausgeschlossen werden. Eine juristische Gewähr für die gemachten Angaben kann daher nicht übernommen werden. Anwendende müssen sich fachlich immer anhand der aktuellen Literatur auf dem Laufenden halten. Über konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge sind wir dankbar. Jegliche Haftungsansprüche, die sich aus der Verwertung der folgenden Aussagen ergeben, werden abgelehnt.
Indem Sie an dieser Stelle weiterlesen, erklären Sie die Nutzungshinweise gelesen und verstanden zu haben und akzeptieren die Aussagen zu Haftungsausschluss und Verantwortlichkeiten in allen Punkten.
Vorgehensweise und Selbstschutz
AmpelschemaDas sogenannte "Ampelschema" hilft, bei der Ersten Hilfe einen klaren Kopf zu bewahren:
1. Schauen (rot wie "Stopp!")
2. Denken (gelb)
3. Handeln (grün)Jeder soll in der Lage sein Hilfe zu leisten, ohne dabei zum Opfer zu werden.
1. Schauen: Erfassen, was überhaupt passiert ist. Hier geht es besonders darum, Gefahren für den Patienten und / oder Umstehende (z.B. Brand, Explosion, Absturz oder rollenden Verkehr) sowie die mögliche Situation des Betroffenen, den Unfallhergang, die Verletzungen bzw. die Zeichen einer akuten Erkrankung zu erkennen.
2. Denken: Allfällige Gefahren werden beurteilt und bereits vor dem ersten Patientenkontakt angemessene Selbstschutzmassnahmen ergriffen. Zu den wichtigsten Selbstschutzmassnahmen gehören:
- Tragen von Schutzhandschuhen – möglichst von Anfang an, sicher aber vor dem ersten Kontakt mit Körperflüssigkeiten
- Absperrung bzw. Signalisation bei Unfällen (v.a. im Strassenverkehr)
- Vorsicht vor fliessendem Verkehr
- Zurückhaltung bei aggressiven Auseinandersetzungen
- Abstand bei Brand-, Explosions- oder Absturzgefahr
- Achtung vor Strom und Vergiftungen
- Danach geht es darum, welche Hilfe die betroffene Person benötigt.
3. Handeln: Je bedrohlicher die Situation für den Betroffenen, desto dringender ist die Erste Hilfe. Unbedingt frühzeitig alarmieren und Unterstützung anfordern. Nach Art. 128 des Schweizer Strafgesetzbuchs ist jede Person im Rahmen des Zumutbaren dazu verpflichtet, Hilfe zu leisten, wenn ein Mensch in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt.
Ursachen des Kreislaufstillstands und Vorbeugung
Information
- Es gibt viele Ursachen für einen Kreislaufstillstand. Zu den häufigsten gehören: Herz- oder Lungeninfarkt, Ersticken, Schlaganfall, schwere Verletzungen u.a.
- Einige Risikofaktoren begünstigen Herzinfarkt und Schlaganfall. Manche davon sind beeinflussbar. Das bedeutet, dass sich diesen Krankheiten in gewissem Masse vorbeugen lässt.
- Gegen erhöhte Blutfette, Rauchen, Bluthochdruck, Übergewicht, Zuckerkrankheit und Bewegungsmangel kann man meist etwas tun und bis zu einem gewissen Grad das persönliche Risiko reduzieren.
Die Rettungskette
Interverband für Rettungswesen IVR - Die Rettungskette
Braucht ein Mensch medizinische Hilfe, dann sind Ersthelfer gefragt. Es braucht Mut und den Willen, schnellstmöglich Hilfe zu leisten. Sofortmassnahmen können lebensrettend sein. Ersthelfende stellen dabei die überbrückende Versorgung bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes sicher.
Die Rettungskette beschreibt die Versorgungsphasen bei Notfällen:
1. Sensibilisieren – Helfen als notwendig und menschlich erkennen
2. Befähigen – Erlernen von Erste Hilfe
3. Erkennen der Notfallsituation und alarmieren – um professionelle Hilfe zu organisieren
4. Spontane Erste Hilfe – durch Anwesende
5. Organisierte Erste Hilfe – durch Firstresponder, Betriebssanitäter*innen etc.
6. Professionelle Hilfe – durch den Rettungsdienst
7. Klinische Versorgung – im nächstgeeigneten Spital
8. Wirkungsmessung – um das System zu verbessern
Alarmierung
Wer beim Rettungsdienst, der Polizei oder der Feuerwehr Hilfe anfordert, wird systematisch durch die Abfrage geführt. In der Regel wird zuerst der Notfallort erfragt. Anschliessend erfolgt Fragen zum Notfall: Was ist passiert? Wo ist der Notfallort? Wie lautet die Rückrufnummer? Wie alt ist der Patient? Ist der Betroffene ansprechbar, atmet er?
Die Antworten erleichtern dem Rettungsdienst den Notfallort rasch zu finden und angemessen zu reagieren. Wenn erforderlich leiten Disponenten schon jetzt Sofortmassnahmen an und unterstützen den Anrufer bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes telefonisch.In der ganzen Schweiz gelten die folgenden Notrufnummern:
- Sanitätsnotruf 144
- Feuerwehr 118
- Polizei 117
- Rega 1414
- Vergiftungsauskunft 145
- Dargebotene Hand 143
Zusätzlich ist die europäische Notrufnummer 112 in den meisten Kantonen aktiv und erleichtert zum Beispiel Touristen die Alarmierung in Notfallsituationen.
Rechtliche Aspekte
Information
- Art. 128 StGB stellt unterlassene Hilfeleistung bei Lebensgefahr unter Strafe.
- Falsche oder nicht indizierte Massnahmen können betroffene Personen verletzen.
Aber:
- Keine Verletzung ist schwerwiegender als unterlassene Wiederbelebungsmassnahmen.
- Bei BLS und AED nach bestem Wissen und Gewissen sind rechtliche Konsequenzen praktisch ausgeschlossen.
Erkennen und Beurteilen von Notfallsituationen
Information
- Erste Hilfe beginnt immer mit einer Beurteilung der Situation und des Patienten.
- Es geht darum zu erkennen, ob der Patient akut bedroht ist und lebensrettende Sofortmassnahmen benötigt.
- Betroffene lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Ansprechbarer Patient
- Wach, ansprechbar und in der Lage, zu antworten. Bedürfnisse können geäussert werden.
- Die Erste Hilfe kann mit dem Betroffenen abgestimmt werden.
- Meist keine unmittelbare Lebensbedrohung.
Bewusstloser Patient
- Bewusstlos ohne Reaktion auf Berührung und lautes Ansprechen, aber mit normaler Atmung.
- Potenziell lebensbedrohlich.
- Eine Bewusstlosenlagerung kann lebensrettend sein. Da die Lebensbedrohung Vorrang hat, gilt dies auch bei vermuteter Rückenverletzung. Ziel ist es, die Atemwege frei zu halten.
- Der Patient soll bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes betreut und die Atmung immer wieder geprüft werden.
Patient im Kreislaufstillstand
- Bewusstlos ohne Reaktion auf Berührung und lautes Ansprechen.
- Zudem keine, oder keine normale Atmung erkennbar.
- Akute Lebensgefahr erfordert sofortige Wiederbelebungsmassnahmen.
- Alarmierung, Herzmassage, Beatmung und Defibrillation erforderlich.
Bewusstseinsstörung
Information
- Zu Bewusstseinsstörungen kann es durch Verletzung, Erkrankung oder Vergiftung kommen.
- Die grösste Gefahr liegt im Ersticken, wenn in Rückenlage die Zunge zurücksinkt und die Atemwege blockiert oder wenn in die Lunge gelangt.
Erkennen
- Person liegt regungslos am Boden
- Reagiert nicht auf Ansprache
- Kein Öffnen der Augen
- Keine sonstigen Bewegungen
- Normale Atmung ist erkennbar
Handeln
- Alarmierung des Rettungsdienstes via Notrufnummer 144
- Bewusstlosenlagerung: um die Atemwege in Seitenlage freizuhalten
- Wärmeerhalt, zum Beispiel mittels Rettungsdecke (Gold-Silber-Folie)
- Bleiben Sie danach am Kopf des Patienten und beurteilen Sie bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes, ob die Atmung normal bleibt.
Sicherheit, Selbstschutz, Hygiene
Information
- Im Rahmen der Ersten Hilfe kann es, v.a. durch Verletzungen und Infektionen, zu Gefahren für Ersthelfer kommen. An oberster Stelle steht immer die eigene Sicherheit. Ersthelfer sollen nicht selber zu Schaden kommen.
Erkennen
- Achtung: nicht jede Bedrohung ist auf den ersten Blick erkennbar
- Ampel-Prinzip berücksichtigen
- Bei Bedarf Experten beiziehen (z. B. Sicherheitsbeauftragte, Feuerwehr usw.)
- Mitmenschen und Retter warnen, wenn beispielsweise Rutschgefahr besteht, bzw. Glasscherben, Drogenspritzen o.a. herumliegen
- Nach Möglichkeit und unter Berücksichtigung der eigenen Sicherheit, Betroffene aus dem Gefahrenbereich bergen
Handeln
- Handschuhe tragen reduziert das Risiko der Krankheitsübertragung ebenso wie die hygienische Händedesinfektion
- Bei drohender Gewalt immer sofortiger Rückzug und via 117 Polizei alarmieren
- Fluchtwege offenhalten
- Dem Betroffenen / Täter niemals den Rücken zuwenden
- Ruhig auftreten, ruhig sprechen
Besonderheiten im Strassenverkehr:
- Verkehr berücksichtigen (vor dem Aussteigen, Überqueren der Strasse usw.)
- Auf der Autobahn Schutz hinter der Leitplanke suchen
- Warnweste tragen
- Das eigene Fahrzeug zum Absichern der Unfallstelle als Prellbock verwenden
- Warnblinklicht und Abblendlicht einschalten, Warndreieck aufstellen
- Stelle das Pannendreieck mindestens 50 m von der Unfallstelle entfernt auf - wenn schnell gefahren wird, in mindestens 100 m Entfernung
Arbeit mit Partnern
Rettungsdienst, Polizei, Feuerwehr, LuftrettungInformationen
Das Aufgebot erfolgt meist anhand von Einsatzstichwörtern durch die Sanitätsnotrufzentrale, denn Partnerorganisationen können sich gegenseitig aufbieten (bei Brandalarm kommt beispielsweise automatisch auch die Polizei). Warnwesten / Gilet können Auskunft über Organisation und Funktionen der Personen geben. Den Anweisungen der professionellen Retter ist strikt Folge zu leisten.Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst (RD)
- Meistens ist der RD innerhalb von 10 bis 15 Minuten vor Ort
- Einweisung erleichtert dem RD, den Einsatzort zu finden
- Häufig nimmt der RD Hilfe von Ersthelfern und Passanten in Anspruch
- RD nimmt Informationen von Augenzeugen entgegen, besonders, wenn der Betroffene nicht ansprechbar ist
Zusammenarbeit mit der Polizei
- Polizisten verfügen über eine solide Grundausbildung in Erster Hilfe
- Die Polizei wird bei Arbeits- und Verkehrsunfällen mit Personenschaden meist automatisch aufgeboten
- Erste Hilfe hat Priorität vor Ermittlungen und Spurensicherung
- Die Polizei sichert Unfallstellen ab, hält den Weg für Feuerwehr und Rettungsdienst frei und weist bei Bedarf den Rettungshelikopter ein
Zusammenarbeit mit der Feuerwehr
- Milizfeuerwehren benötigen in der Regel einige Minuten zum Ausrücken (Ausgangspunkte sind häufig Arbeits- oder Wohnort)
- Spezialaufgebote wie Hubretter oder Strassenrettungszug können längere Anfahrtswege haben
- Feuerwehreinheiten sind streng hierarchisch aufgebaut und jede Einsatzkraft hat eine klar definierte Rolle
- Die Feuerwehr entscheidet über den Gefahrenbereich und dessen Zutritt
Zusammenarbeit mit der Luftrettung
- Die Luftrettung (v.a. die Rega, regional aber auch Air Zermatt oder AAA) übernimmt Transporte in Spitäler, die via Luftweg schneller erreichbar sind (z. B. Spezialklinik, Zentrumsspital)
- Sie erreicht abgelegene Einsatzorte (Berge, Waldgebiete usw.)
- Wird in der Regel von Polizei, Feuerwehr oder Pistenrettung eingewiesen
- Vorsicht: Es besteht Gefahr durch Rotorblätter und Abwinde: Annäherung an den Helikopter nur von vorne mit Blickkontakt zum Piloten und erst wenn die Rotorblätter stehen!
Kindernotfälle
Lernvideos
BLS Erwachsene AHA SRC
Seitenlagerung
Hygienische Händedesinfketion
PBLS Zweihelfer ERC
Fachpublikationen
- Regener, H., Meier, Ch. (2018). Helfende im Notfall - Arbeiten mit Algorithmen. samariter, (3), 32-33. (PDF, 291.91 KB)
- Regener, H., Trede, I. (2013). In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige. star of life, (3), 13-19. (PDF, 2.62 MB)
- Regener, H., Burkart, R. (2021). Die neue IVR-Rettungskette hat acht Glieder (PDF, 761.62 KB)
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