Interdisziplinäre Bildungszone

Gemeinsam lernen auf der Station

Es ist ein Leuchtturmprojekt des Schweizer Paraplegiker-Zentrums: In der «interprofessionellen Bildungszone» werden Lernende und Studierende aus Medizin, Pflege und Therapie gemeinsam ausgebildet.

Text: Anita Steiner
Fotos: Adrian Baer

Wie lernt man am besten? Indem man über den eigenen Tellerrand hinausblickt, Zusammenhänge erkennt, Ziele gemeinsam verfolgt, vorausschauend handelt und Verantwortung übernimmt. Auf einer Station des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ) profitieren junge Talente seit September 2023 von einer zukunftsweisenden Form einer solchen Ausbildung.

Ein Team mit Lernenden und Studierenden aus den Bereichen Medizin, Pflege und Therapie betreut gemeinsam sechs Patientinnen und Patienten in der «interprofessionellen Bildungszone» (IBZ). Die angehenden Berufsleute arbeiten selbstständig – jedoch eng begleitet von den Fachbereichen und Bildungsverantwortlichen. Ebenso eng ist der Austausch mit den Betroffenen und ihren Angehörigen.

Alle profitieren von der Innovation

«Die Idee zur IBZ entstand während der Coronapandemie, als der Schulunterricht teilweise ausfiel», sagt Reto Berwert. Der Bildungsverantwortliche Pflege am SPZ hat mit seinem Team diesen Ausbildungsort erschaffen, der vorerst auf der Station C angeboten und laufend evaluiert wird.

«Es bleibt mehr Gelerntes haften und das Selbstbewusstsein wird gestärkt.»

Reto Berwert, Bildungsverantwortlicher Pflege SPZ

Der Nutzen des fachübergreifenden Lernens und Arbeitens ist durch Studien belegt: Die Versorgungsqualität wird gesteigert, Behandlungsfehler reduziert und Ressourcen effizienter genutzt. Man geht besser auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten ein, was sich positiv auf ihre Behandlung und Zufriedenheit auswirkt. Gleichzeitig fördert das Modell die Motivation der Mitarbeitenden und das gegenseitige Verständnis. Und nicht zuletzt hilft es, unnötige Kosten zu vermeiden.

Um im klinischen Alltag kompetent handeln zu können, sind Weitsicht, Wissen und Erfahrung nötig. «Oft haben Lernende und Studierende viel mehr Fähigkeiten, doch sie können diese in einer Standardausbildung nicht nutzen und entwickeln», sagt Reto Berwert. In der IBZ dagegen fördern flache Hierarchien ganzheitliches Denken, selbstständiges Handeln und lösungsorientiertes Arbeiten. So bleibt Gelerntes besser haften.

Die Lernenden und Studierenden sind von Montag bis Freitag für den Tagesablauf verantwortlich. Jeweils als Tandem koordinieren, planen und betreuen sie alle Aufgaben möglichst selbstständig. «Sie sollen sich entfalten und Verantwortung übernehmen», erklärt der Bildungsverantwortliche. «Damit die Patientensicherheit jederzeit gewährleistet ist, stehen wir stets zur Seite, beantworten Fragen oder greifen ein.»

Mit der Mixed-Reality-Brille «HoloLens» sehen die Nutzenden die Umgebung, während zusätzliche Informationen als interaktive 3D-Projektionen in einem Display erscheinen.

Mit der Mixed-Reality-Brille «HoloLens» sehen die Nutzenden die Umgebung, während zusätzliche Informationen als interaktive 3D-Projektionen in einem Display erscheinen. 

Eintreten, staunen, lernen

Im IBZ-Raum achtete man beim Mobiliar auf höchste Flexibilität: Es kann je nach Bildungssituation neu angeordnet werden.

Mit der Mixed-Reality-Brille «HoloLens» sehen die Nutzenden die Umgebung, während zusätzliche Informationen als interaktive 3D-Projektionen in einem Display erscheinen. So können standardisierte Handlungen wie beispielsweise das Katheterisieren «halbvirtuell» gelernt und geübt werden.

«Anfangs war ich skeptisch», gesteht Julia Gürber. Die Bedenken der angehenden Fachfrau Gesundheit sind jedoch rasch der Begeisterung gewichen. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Ausbildung übernehme sie mehr Kompetenzen und wachse über sich hinaus: «Ich sehe den Rehabilitationsprozess ganzheitlicher und denke über meine Disziplin und über die Aufenthaltsdauer der Patientinnen und Patienten hinaus.» Dies vertiefe ihre Beziehung zu den betroffenen Menschen.

Für Julia Gürber ist klar: Durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis der unterschiedlichen Berufe in der IBZ lernt man mit-, von- und übereinander. Die Basis dazu bilden Kommunikation, gegenseitiger Respekt, Vertrauen und Teamwork: «Wir wissen, wer was macht und ob jemand Hilfe benötigt.» Da Lernende und Studierende abwechselnd Führungsfunktionen übernehmen, wachse nicht nur ihr Fachwissen, sondern auch ihr Selbstbewusstsein.

«Der kreative Lernraum und das interprofessionelle System sind positiv für alle Beteiligten.»

Julia Gürber, Lernende Fachfrau Gesundheit

«Ich hatte bereits einige Aha-Erlebnisse», schwärmt Julia Gürber. «Durch eine interdisziplinär erstellte Mindmap haben wir zum Beispiel herausgefunden, weshalb ein Patient eine bestimmte Nebendiagnose hat.» Die interprofessionelle Herangehensweise offenbart Zusammenhänge und Ergebnisse, zu denen eine Berufsgruppe für sich allein kaum gekommen wäre.

Im Zentrum: das Patientenwohl

Für den begleitenden Arzt war dies ein besonders spannender Moment: «Die Ausbildung erfolgt heute immer noch im ‹Gärtchendenken›», sagt Michael Harder, Leitender Arzt Paraplegiologie. «In der IBZ entwickeln die Berufsgruppen bereits in einem frühen Stadium gemeinsame Lösungen. Davon profitieren auch die betreuten Patientinnen und Patienten.»

Für das SPZ bleiben Sicherheit, individuelle Situation und die Rehabilitation der betreuten Patientinnen und Patienten zentral. Sie und ihre Angehörigen haben einen intensiveren Kontakt zu den Bildungspersonen und sind bei Instruktionen und während Besprechungen dabei. Dadurch können sie sich aktiv einbringen und lernen über ihren Gesundheitszustand mit. «Ich fühle mich sehr gut aufgehoben», bestätigt Daniel Schiess, ein Patient in der Erstrehabilitation. «Es ist spürbar, dass alle am selben Strick ziehen. Und auch ich kann Einfluss nehmen und mitwirken.»

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