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Erfahrungen aus der Covid-Intensivstation im SPZ

Patient Zeljko Raduljevic berichtet über seinen Alltag

Zeljko Raduljevic ist einer der Patienten, der sich im stark isolierten Teil des Schweizer Paraplegiker-Zentrums (SPZ,) der COVID-Intensivpflegestation (IPS), befindet. Seit Februar 2021 ist der 39-Jährige zur Rehabilitation im SPZ in Nottwil. Seit einem schweren Verlauf von COVID-19 hat er ab dem Hals eine Lähmung, eine sogenannte Tetraparese. Dies ist ein Phänomen, das in extrem seltenen Fällen im Zusammenhang mit COVID-19 auftritt. Für diesen Blog nimmt er sich Zeit, um zu erzählen, wie es dazu kam.

Text: Clara Häfliger
Datum: 14.10.2021

In vollständiger Abhängigkeit

Im Dezember 2020 wurde Raduljevic positiv auf SARS-CoV-2 – das «Coronavirus» – getestet. Eine Woche später kam er mit hohem Fieber in ein Akutspital im Kanton Zürich. Sechs Wochen lag er im Koma. Als er wieder zu sich kam, konnte er zunächst selbstständig atmen. «Doch», erzählt er, «eines Tages konnte ich beim Sitztraining plötzlich nicht mehr gut atmen. Es kam eins nach dem anderen. Corona war der Auslöser dieses ganzen Unheils.» Weil die Atemmuskulatur nicht mehr funktionierte, erhielt Raduljevic eine Trachealkanüle. Mehr als ein halbes Jahr wurde er maschinell beatmet.

Obwohl er nicht mehr ansteckend war, wurde Raduljevic auf der IPS weiterhin isoliert, weil sein ganzes Immunsystem stark geschwächt war. «Wenn jemand zu mir gekommen ist, mussten sich alle speziell einkleiden, auch mit einer Haube für die Haare», erinnert er sich. Damals hatte er noch nicht die Möglichkeit, trotz Beatmung zu sprechen. So habe er sich kaum bemerkbar machen können, erzählt er. Deswegen und wegen seiner Isolation habe er manchmal lange warten müssen.

Aufgrund seiner Lähmung wurde er nach einigen Monaten auf die IPS ins SPZ verlegt. An den Transport hierhin kann er sich gut erinnern, weil er stark von der Beatmungsmaschine abhängig war. «Ich musste teilweise einige Sekunden warten, bis wieder Luft kam. Aber ich habe mich selbst beruhigt, um die Atemnot auszuhalten», erzählt er.

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«Ich wusste genau, dass ich da einfach durchmusste, wenn ich Fortschritte erzielen wollte.» 

Zeljko Raduljevic

Die vollkommene Abhängigkeit hat Raduljevic auch im SPZ noch Mühe bereitet, wie er sagt. «Ich weiss noch, ich hatte sehr grossen Respekt vor jeder Mobilisierung. Schuld daran waren vor allem diese vielen Schläuche in mir drin. Ich hatte jeden Tag Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie. Das hat mich alles sehr gestresst und viele Nerven gekostet. Aber ich wusste genau, dass ich da einfach durchmusste, wenn ich Fortschritte erzielen wollte.»

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«Das Schwierigste war, dass ich meine Beine zwar nicht bewegen, aber sehr stark fühlen konnte. Und wenn man mir dann nach etwa eineinhalb Stunden die Beine nicht bewegt hatte, bekam ich schreckliche Schmerzen. Alles wurde steif. Ich war deswegen so dankbar, als ich im SPZ nach über sechs Wochen erstmals mit dem Sprechventil wieder richtig sprechen konnte», meint der ausgebildete Sänger weiter. So konnte er sich den Pflegefachpersonen mitteilen und sich auch besser bemerkbar machen.

Ein kleines Wunder und der Blick nach vorne

Nach kurzer Zeit des Trainings konnte er das Sprechventil den ganzen Tag tragen, auch wenn er die Beatmung noch für viele Wochen brauchte. Erst seit Mitte Juli gelingt es ihm, ohne Atemnot frei von der Beatmungsmaschine zu atmen. Darüber ist er sichtlich dankbar. Die Trachealkanüle braucht er nur noch als Übergangslösung, bis er sich ohne Beatmungsmaschine über längere Zeit ganz sicher fühlt. «Mein Körper hat einen anderen Weg gefunden, das Zwerchfell anzusteuern. Das ist ein kleines Wunder!»

Als seinen grössten und wichtigsten Fortschritt bezeichnet er aber die vollständige Bewegung des Kopfes. «Auf der IPS konnte ich den Kopf nur wenig bewegen. Deshalb haben sie mir den Knopf zum Klingeln an die Schläfe gelegt. Aber wenn ich im Bett nur ein wenig nach unten gerutscht war, konnte ich ihn nicht mehr erreichen und mich so nicht bemerkbar machen. Jetzt kann ich den Hals ganz bewegen. Zudem kann ich meine Schultern sehr gut anheben und meine Beine ein wenig hin- und herbewegen. Es sind halt noch keine konkreten Bewegungen.»

Jeden Tag hat er intensive Therapie. Zum Beispiel übt er mit Hilfe eines Exoskeletts die Handbewegung, die er für die Steuerung des Elektrorollstuhls braucht.

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«Ich sehe das SPZ nicht als Anstalt, sondern als mein derzeitiges Leben.» 

Zeljko Raduljevic

Es mache ihm nicht viel aus, dass die ganze Reha deutlich länger dauert, als er anfänglich dachte, meint Raduljevic. Er versuche, im Jetzt zu leben, und lasse keine negativen Gedanken aufkommen. Lieber sei er locker, aufgestellt und erlaube sich ab und an ein Spässchen mit dem Personal. Schliesslich lebe er quasi seit sechs Monaten mit diesen Leuten zusammen. «Ich sehe das SPZ nicht als Anstalt, sondern als mein derzeitiges Leben», ergänzt er. Diese Vorstellung gebe ihm Kraft.

Als Raduljevic gefragt wird, was er gerne noch loswerden möchte, meint er: «Mir geht es hier sehr gut und ich fühle mich wohl». Und er könne kaum fassen, wie schnell die Zeit vergehe. Solange diese nicht stehen bleibe, sei alles gut.

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Seit dem Interview ist die Zeit für Zeljko Raduljevic weitergelaufen – vielleicht schneller als gedacht. Bereits wenige Tage danach konnte die Trachealkanüle entfernt werden. Der Luftröhrenschnitt ist inzwischen verschlossen. Nur noch eine kleine Narbe am Hals erinnert an seine vollkommene Abhängigkeit von der Beatmungsmaschine. Damit hat Raduljevic einen weiteren Meilenstein auf seinem Rehabilitationsweg erlangt.

Weitere Erfahrungen aus der COVID-IPS

Die Geschichte von Zeljko Raduljevic ist nur einer von mehreren spannenden Erfahrungsberichten aus der  COVID-IPS des Schweizer Paraplegiker-Zentrums. In einem weiteren Blog berichtet Sarah Stierli, Logopädin am SPZ, von ihren eindrücklichen Erfahrungen auf der Intensivstation während der COVID-19-Pandemie.

Mehr zu den Erfahrungen von Sarah Stierli

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